11 Deutschrap-Newcomer*innen, die du 2022 im Auge behalten musst
Donna Savage, Ramzey & Maka.DD

Die Headline verrät schon ziemlich genau, was euch hier erwartet. Wir haben als Redaktion die Köpfe zusammengesteckt und uns überlegt, welchen frischen Acts dieses Jahr mehr Leute zuhören müssen. Den einen oder anderen Namen werden manche schon kennen, andere steht wirklich gänzlich am Anfang und haben kaum Material, das man online finden kann. Auf irgendeine Weise hat aber jede*r hier im Artikel jemanden von uns überzeugt. Ob die ganz großen Stars von morgen dabei sein werden? Schwer zu sagen, vermutlich eher nicht. Hier gibt's Künstler*innen mit eignen Styles, die tendenziell spitzere Zielgruppen und den Untergrund erreichen dürften. Und wir wissen, dass da draußen genug Menschen sind, die ohnehin eher nach so etwas suchen als nach dem nächsten Playlist-Pophit, der in zwei Wochen schon wieder fast vergessen ist.



Ramzey

Gut, um einen Newcomer per Definition handelt es sich bei Ramzey nicht wirklich. Seine streambare Diskografie reicht bis ins Jahr 2019 zurück. Und trotzdem bewegt sich Onkel Z aus dem Frankfurter Underground bei vielen noch immer unter dem Radar. Seine Tracks leisten schmale Gratwanderungen zwischen Straße und Abitur, die von Beats aus dem Hause Yaz E begleitet werden. Kopfnicken samt böse verzogener Mimik ist da vorprogrammiert.


"Ich hab'n Bruder, mit dem hab ich Abi gemacht, jetzt Universität / Und ich hab'n Bruder mit Schaden von Habs, er ist traumatisiert von Sirenen"


Apropos Sirenen: Schon nach wenigen Minuten kriegt man seine prägnanten Adlibs kaum mehr aus dem Ohr. Neben einem "Nööö!" aus voller Kehle gibt Ramzey immer mal wieder einen hohen Ruf von sich, der fast sirenenartig daherkommt und lautmalerisch entsprechend schwierig darzustellen ist. Klingt komisch, ist aber hard. If you know, you know. Besonders Spaß macht sein Sound außerdem durch subtile Anspielungen: So erinnert die Betonung von "Kennst du das auch" in "Tunnelvision" doch stark an das Intro der Nickelodeon-Serie "iCarly", der Beat von "IG" hingegen sampelt Musik aus der "The Legend of Zelda"-Videospielreihe. Und Mario Balotelli kriegt sogar einen eigenen Song gewidmet. Wilder Mix. Entsprechend gespannt kann man also auf sein erstes größeres Projekt sein, das hoffentlich schon bald erscheint. Das wird bös!

(Leon Schäfers)

64Fanatiks

Konzentriert man sich nur auf den Faktor Zeit, ist Newcomer wahrscheinlich nicht der richtige Begriff für die 64Fanatiks. Immerhin veröffentlichen die Darmstädter bereits seit knapp zwei Jahren Tracks. Allerdings hat erst eine Handvoll davon auch wirklich das Licht der Welt erblickt. Also passt das schon.

Die bereits veröffentlichten Songs haben es aber allesamt in sich. Straßenrap ohne den Hauch eines Kompromisses und dabei gleichzeitig so facettenreich wie das Genre selbst. Ob auf Französisch, zusammen mit UK-Drill Rapper Monroe oder einfach mitten ins Gesicht. Jeder Track steht für sich und zeigt, was alles in den Jungs steckt.

Manch einer dürfte die 64Fanatiks bereits aus dem Format "Nice or Scheiss" kennen. Dort gab es bereits Cosigns von Manuellsen, Mois und Massiv. Wenn Amor.64 und Maka.DD weiter auf dem Niveau releasen, dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass ihr erstes längeres Projekt mit unglaublich viel "Druck" in die Szene platzen wird.

(Till Hesterbrink)

Nikan

Bei NOV21-Signing Nikan kommen die Beats aus allererster Hand: Das Label ist nämlich ein Joint Venture von Four Music und Producer-OG Stickle. Nicht ohne Grund war also Nikans erste Single unter Vertrag, "shorty klickt" aus 2021, für die Hiphop.de-Awards-Kategorie "Bester Beat des Jahres" nominiert. Stickle und sein erstes Signing harmonieren nämlich unfassbar gut miteinander und kreieren einen ganz eigenen Vibe. Ein bisschen getragen, ein bisschen locker-easy, kommt Nikans Style irgendwie futurisch und nostalgisch zugleich daher. Im August 2021 hatte der 21-jährige Düsseldorfer bereits seine erste eigene EP "ALL IN / PLAN A" herausgebracht, auf der unter anderem der oben erwähnte Song "shorty klickt" sowie die Single "energy" vertreten waren. Im Dezember kam dann mit "ny" eine Single raus, mit der er bewies, dass er smooth und elegant Markennamen droppen kann, ohne dass das Ganze aufgesetzt klingt.


"NY Cap, Trackie black / Leute schlafen, deshalb bleib ich immer underrated / Vivi Chain, nie mehr Pain / Bin im Treppenhaus von Baddies, meine Homies faded"


Ein Key der Nikan-Formel: Seine bisherigen Visuals - angefangen bei Cover Arts, über sein Instagram-Profil, bis hin zu den Musikvideos - passen perfekt in den aktuellen Zeitgeist. Street, aber nicht ohne einen Touch Haute Couture. Das geht bekanntermaßen immer häufiger Hand in Hand. Und dass Deutschland mittlerweile ready für fashion-bewusste Acts ist, zeigt nicht zuletzt die große und leidenschaftliche Fanbase eines gewissen Ufuk Bayraktar.

(Renée Diehl)

Donna Savage

Man erkennt sie an der Stimme und der roughen Art – das sagt sie selbst in ihrem aktuellen Song "Sag wer". Daran und an Beats von Brenk Sinatra. Der umtriebige Wiener (Olexesh, Haftbefehl & Xatar, Said, Morlockk Dilemma und viele mehr) will mit seinem Signing bei Wave Planet Records beweisen, dass seine Treffsicherheit – nicht nur bei Memes auf IG ist Brenk eine absolute Bank! - auch für Rap-Entdeckungen gilt.

Donna hat gerade einmal drei Songs releast, aber schon jetzt hört man, dass die Frau amtlichst flowen kann – im zweiten Part von "JaJa" beispielsweise werden immer wieder pointierte Doubletime-Elemente eingestreut. Keine poppigen Mitsingmomente, dafür eine authentische Attitude und eine druckvolle Stimme als Wiedererkennungsmerkmal. Für die breite Masse wird das nichts werden, aber Freunde gepflegten Raps sollten Augen und Ohren offen halten, was Madame Savage dieses Jahr so anstellen wird.

(Clark Senger)

Samzon

"Entweder kannste es oder kannst es halt nicht" – So stieg Samzon 2019 in seine Debüt-EP "Flex EP'eal". Seitdem hat er Track für Track bewiesen, dass definitiv Ersteres auf ihn zutrifft. Denn der Dresdener, der nebenbei noch bei Rewe jobbt, hat Großes vor. Zwar ist er noch nicht lange im Game, dennoch bewegt er sich bereits wie ein Profi und schafft es stets, ein authentisches Bild seiner Gedanken und Gefühle zu zeichnen. In seinen Songs treffen deepe Lyrics auf moderne Beats und erzählen nicht nur von den Struggles in der Hood, sondern auch von jenen, die der 23-Jährige mit sich selbst hat.


"Lauf' früh zur Arbeit, seh' Junkies an Hausmauern / Graublauer Himmel, ich vertrau' meiner Stimme / Und hoff', dass sie mich eines Tages nicht auch mal so finden / Yeah, ich hab' keine Perspektive / Weil ich früher statt zu lern'n lieber holländisch dreh'n übte"


Es lohnt sich, Augen und Ohren offen zu halten, denn der Junge wird dieses Jahr "nonstop liefern". Und wenn Rapgrößen wie Juju oder Morlockk Dilemma ihn bereits auf dem Schirm haben, dann solltest du das definitiv auch.

(Djamila Chastukhina)

Apsilon

Normalerweise ist das Radio schnell aus, wenn ich Auto fahre. Spätestens sobald der erste Plastikpopsong aus Amerika oder irgendwas von Mark Forster angespielt wird. Wenn der Kollege Jan Kawelke auf COSMO spricht, lohnt es sich aber zuzuhören. Dieses Mal ging es um den Verlauf neuer popkultureller Strömungen, die sich zuerst in der Form und später dann im Inhalt immer weiter entwickeln. Pashanim, BHZ, Symba – und jetzt Apsilon?


"Ihr singt Popsongs ein, nonstop, ohne Punkt und Komma / ich komm' auf den Punkt, bin on the come-up"


Rassismus, Identität und andere gesellschaftliche Themen kommen auf den Tisch, aber gegessen wird trotzdem mit den Händen statt mit feinem Besteck. Straße und smart, straighte Statements, wortgewandte Texte, State-of-the-Art-Flow mit gekonnten Pausen und intensiven Betonungen, Experten wie Cato oder Ahzumjot an den Beats, eine einprägsame Stimme. Noch Wünsche offen? Seine frisch erschienene EP "Gast" ist ein extrem vielversprechender Vorgeschmack auf alles, was da noch kommen wird. Hört das!

(Clark Senger)

OE63

Wer ein bisschen auf Tiktok unterwegs ist, wird - zumindest unbewusst - schon mal von OE63 gehört haben. Mit dem Track "Blocks & Ghettos" und der klaren Haltung gegenüber Cops ("Was für 'Er macht nur sein' Job'?") machen "Baba OE und Dedo" dort nämlich seit einiger Zeit ordentlich Welle. Kein Wunder, dass die Mischung aus Dialekt und dem eher eigenwilligen Beat bei den "richtig Kaputten" gut ankommt.

OE63 ist das, was manche als "Instarapper" abtun würden. Er nimmt sich gerne mal mit dem Handy auf und lädt diese Hörproben dann auf Instagram. Was gut ankommt wird ein eigener Track.
Seine Teaser und halb-fertigen Tracks beweisen dabei allerdings bereits ein unglaubliches Gespür für Hits und haben etwas, dass manch anderen noch fehlt: Einen ganz eigenen und individuellen Style.

Das hat man auch bei Epic Records erkannt, wo OE mittlerweile unter Vertrag steht. Mit einem Major im Rücken und so viel Talent steht dem Breakthrough nichts mehr im Weg.

(Till Hesterbrink)

Yurek68

Rap aus… Kiel? Okay, als Buddha vor ein paar Jahren an den Start kam, hat er die Stadt im hohen Norden wohl schon auf die Karte der Deutschrap-Landschaft gesetzt. Dass von dort oben noch einiges mehr kommt und auch noch kommen wird, beweist nun Yurek68. Die Single "Rote Becher", gemeinsam mit seinem Fellow-Kieler Buddha, hat bei mir erstmal für leichte Verwirrung gesorgt: Den etwas abgehetzten Beat (produziert von Loony Bin) gepaart mit Yurek68s Rap-Style hätte ich nämlich eher in Berlin verortet als sonst irgendwo. Bei dem Sound hat man direkt Bock, sich an die nächste Trinkhalle (Späti, Kiosk… wie auch immer ihr es nennen mögt) zu stellen und sich irgendeinen billigen Schnaps in seinen Red Cup zu kippen – und das meine ich auf die bestmögliche Art und Weise.

Inspiriert wurde Yurek68 eher von der Rap-Generation vor ihm als von seiner eigenen, so er selbst. Die künstlerische Ader war bei ihm schon immer angelegt: Bereits in seiner Jugend entdeckte er das Malen für sich, mit 16 startete er dann seine ersten Track-Versuche mit Rap. Die Beats des 21-jährigen Newcomers kommen ausschließlich aus seinem Kieler Freundeskreis; von Loony Bin, Ronnie Fresh und Cizzvrp. Das heißt, alles passiert in einem familiären Kreis und die Jungs kreieren gemeinsam ihren ganz eigenen Sound – ob man wohl bald schon von einem "Kieler Sound" sprechen wird? Yurek68 hat jedenfalls mehrere Projekte mit seinem Team von MagnetBandRecords für 2022 in der Pipeline.

(Renée Diehl)

42

Vorbei die Zeiten, in denen Köln in Rap-Deutschland kaum eine Rolle spielte. Das wird sich auch erst einmal nicht ändern, dafür werden unter anderem die 42-Jungs sorgen. Die Crew von der rechten Rheinseite liefert kompromisslosen Drill und das nicht erst seit dem Hype. Schon seit 2017 haben 42-Mastermind Dietrich und Co ihren Sound gefunden, ihn seitdem verfeinert und die Qualität gesteigert. Aktuelle Tracks wie "Stramm" (mit Osama) oder "Kölsche Jung" haben trotzdem noch Hunger auf Rap und die unverschnittene Drill-Roughness, die sich auch in Flow, Videos und vielen Themen wiederfindet. Selbst wenn man Nickelback gesampelt werden!

Wer auf böse 808 Slides, Straßen-Ethos, kölsches Representen und einen dezenten aber spürbaren Hang zu fernöstlicher Ästhetik sowie Mangas steht, wird 2022 bei bei den 42ern auf seine Kosten kommen. In ihren Tracks treten Dietrich, YGT, Shisu und DG in unterschiedlichen Konstellationen in Erscheinung – Beats kommen in der Regel von Dietrich selbst, zuletzt aber auch von Toni Tatsch.

(Clark Senger)

Babyjoy

BABYJOY aus Schöneberg bringt einen frischen Vibe in die Deutschrap-Szene. 2021 zog sie vor allem mit ihrer Debüt-EP “Troubadours” Aufmerksamkeit auf sich. Sanfte Beats und melodische Hooks treffen bei Joy stets auf die richtige Mischung aus Rap und Gesang – und das gleich in drei Sprachen. Sie wechselt von schwerelosen RnB-Sounds zu Trap und stellt so ihre Wandelbarkeit unter Beweis. Und Musik scheint wohl in der Familie zu liegen: Ihr Bruder, mit dem sie einige Male kollaboriert hat, ist kein Geringerer als Dead Dawg. Das BHZ-Mitglied hat in den letzten Jahren bereits einiges abgerissen und das Talent scheint in der Familie zu liegen. Es bleibt spannend, wo die Reise für diese junge Künstlerin noch hingeht.

(Djamila Chastukhina)

Ski Aggu

Gelangweilt von Maskenrappern? Wir hätten da alternativ etwas frischen Wind in petto – dürfen wir vorstellen: Ski Aggu. Statt einer Maske hat er sich eine Skibrille zum Markenzeichen gemacht. Hinter dem schrill wirkenden Alpin-Swag des jungen Rappers aus Berlin-Wilmersdorf verbirgt sich ein Aufgebot an Tracks, das sich nicht minder schrill liest: Mal besingt er den "Früchtetee (mit Honig)", auf dem Storyteller "GUSTAV" geht es um dessen Absturz in die Drogenszene und nicht zuletzt rappt er auf "Ski Aggu Typebeat"… naja, auf einem Ski Aggu Typebeat eben. Wer kein Problem mit frequentiertem Drogentalk hat, der wird mit entspannten Vibes und amüsanten Lines am laufenden Band belohnt.


"Kein Pokerspieler, doch rede mit Dealern / Nein, ich spiele auch kein Skip-Bo, aber lege und zieh‘ dann"


Mit "Weißwein & Pappbecher" hat Ski Aggu bereits unter Beweis gestellt, dass in seiner weirdly sympathischen und humorvollen Künstlerfigur durchaus großes Hitpotenzial steckt. Mal sehen, womit uns der "junge Atze" in diesem Jahr noch überraschen wird.

(Leon Schäfers)

Kategorie

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