Verschwörungstheorien zu Prodigys Tod: Bleibt bei den Fakten

Am 20. Juni ist Prodigy, der mit bürgerlichen Namen Albert Johnson hieß und die eine Hälfte des legendären Duos Mobb Deep bildete, mit 42 Jahren viel zu früh verstorben. Eine Tragödie, die die Rapwelt berührte. Künstlerinnen und Künstler sowie Fans nahmen weltweit Anteil. Doch wie um eigentlich jedes Ereignis, das Menschen emotionalisiert, ranken sich schon jetzt die ersten Verschwörungstheorien um das Ableben der Raplegende. Das ist nicht nur gefährlich, sondern auch pietätlos und sollte daher nicht unkommentiert bleiben.

Als vor einigen Tagen Meldungen die Runde machten, die über die endgültige Ursache des tragischen Todes berichteten, dauerte es nicht lange, bis die ersten Kommentarspalten voll waren von wütenden Kommentaren. Viele der Kommentierenden, so scheint es jedenfalls, schauen so viele YouTube-Videos, das sie anfangen zu glauben, den ultimativen Durchblick zu haben. Sie wissen alles, durchschauen die gesamte Weltpolitik und haben exklusive Infos darüber, wer aus welchem Hinterzimmer die Strippen zieht. Und natürlich zweifeln sie auch an den Informationen, die sie zu Prodigys Tod zu lesen bekommen. Wenn Menschen tatsächlich daran zweifeln, ist es nützlich, sich mit den Fakten zu beschäftigen.

Die Fakten sagen, dass Prodigy seit seiner Kindheit an einer sogenannten Sichelzellenanämie litt. Einer Erbkrankheit, die zu Durchblutungsstörungen führen kann, in deren Folge Organschäden auftreten können. Im Juni musste er ein Konzert in Las Vegas abbrechen. Er wurde in ein Krankenhaus eingeliefert und verstarb am 20. Juni.

Die Öffentlichkeit ging zunächst davon aus, dass sein Tod in direktem Zusammenhang mit seiner Krankheit stand. Allerdings tauchten schon in den Meldungen zu seinem Tod Zweifel daran auf. Dass dem offensichtlich tatsächlich nicht so war, berichteten verschiedene Medien in der vergangenen Woche. Er ist zwar im Krankenhaus verstorben. Todesursache sei jedoch eine Erstickung gewesen, die durch ein Ei ausgelöst worden sei, an dem Prodigy sich offenbar verschluckt habe. Das ist ein tragisches Unglück, über dessen genaue Hintergründe aber wenig bekannt ist. Insofern macht es kaum Sinn, Vermutungen anzustellen.

Genau das geschieht aber eben doch. Und so vermuten Verschwörungstheoretiker in den Kommentaren natürlich prompt, dass diese Informationen falsch seien. Woran diese Menschen glauben, da bleiben sie vage. Klar ist für sie scheinbar nur, dass Prodigy wahlweise zu viel gewusst habe, oder aber ein Sklave seines Labels gewesen, das sich wiederum in der Hand von großen Firmen oder Zentralbanken befinde. Und irgendwo zwischen dem antisemitischen Weltbild, das sich hinter einigen Kommentaren verbirgt, und den Vorstellungen einer Weltverschwörung kommt natürlich auch der Vorwurf in Richtung Medien, alles unreflektiert von den amerikanischen Kolleginnen und Kollegen zu übernehmen. Und amerikanische Medien sind in den Augen vieler, die an Verschwörungstheorien glauben, sowieso die Quelle alles Bösen in einer Welt, in der angeblich nur sie "die Wahrheit" kennen.

Auch wenn ihr es uns und anderen Medien nicht zutraut: Wir überlegen durchaus, bevor wir etwas veröffentlichen. Und daher die Frage an alle, die Zweifel an der Meldung zu Prodigys Todesursache haben: Welchen rationalen Grund gibt es, den Diagnosen der Ärzte keinen Glauben zu schenken, sondern zu glauben, was aus YouTube-Videos möglicherweise hervorgehen könnte? Wer tatsächlich einer solchen Analyse aus der Ferne mehr Glauben schenkt als dem Urteil von Medizinern, der möchte einfach nichts anderes glauben als das, was er ohnehin schon "weiß". Insofern erübrigt es sich fast, Fakten entgegenzuhalten. Aber irgendwie muss man den Kommentaren begegnen.

Es stimmt natürlich, dass Prodigy verschwörungstheoretische Ansätze vertrat und das 2011 und 2017 in Gesprächen mit Infowars durchblicken ließ. Das beeinflusst sicher viele seiner Fans, die ihrem Idol vertrauen und nun vermuten, das Prodigy zu viel wusste. Nun jedoch tatsächlich zu glauben, dass er wegen solcher Interviews aus dem Weg geschafft wurde, ist absurd.  Offenbar vertrat der Rapper Verschwörungstheorien. Er und alle anderen dürfen derlei Meinungen natürlich äußern – das steht jedem frei. Wenn man anderen jedoch vorwirft, Fakten zu übersehen, dann sollte man sich selbst an Fakten halten. 

Und Fakt ist eben, dass die Ärzte die Ursache seines Todes bestätigt haben. Es steckt eben nicht hinter jeder Tragödie ein geheimer Plan. Es gibt leider tragische Unfälle. So hart das klingt, müssen wir damit umgehen. Lasst uns also gemeinsam trauern, seine Musik weiter hören und dabei keinen Platz lassen für Verschwörungstheorien, die auf Vermutungen und Gefühlen basieren. Solche Theorien sind am Ende nichts als Unterstellungen gegen bestimmte Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Es ist dem tragischen Tod eines Künstlers wie Prodigy  nicht angemessen, seinen Tod zu intrumentalisieren. R.I.P., Prodigy.

Arias bewegenden Nachruf auf einen großen Künstler könnt ihr hier finden:

R.I.P. Prodigy: Einer der größten Rapper aller Zeiten geht von uns.

Albert Johnson ist heute im Alter von 42 Jahren gestorben. Besser bekannt war er unter seinem Künstlernamen Prodigy, die eine Hälfte des legendären Rap-Duos Mobb Deep. Als ich Prodigy kennenlernte, galt er schon als "Oldschool". Mit einer Aura, wie Rapper sie haben müssen. Zu gerne hätte ich ihn auch zu Beginn seiner Karriere erlebt.

David Büchler

Autoreninfo

David Büchler schreibt seit dem Frühjahr 2017 für Hiphop.de. Hiphoptechnisch zwischen Eminem und Aggro Berlin sozialisiert, hat ihn in den vergangenen Jahren vor allem Casper begeistert. Heute feiert er Künstler mit neueren Einflüssen wie Rin oder LGoony, verfolgt jedoch ebenso gespannt Acts wie die Antilopen Gang oder Zugezogen Maskulin. Seine zweite Leidenschaft ist der Fußball. Er ist Mitbetreiber des Fan-Blogs www.mitgedacht-block.de und arbeitet als Bildungsreferent in einem Fanprojekt.
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