"Kids rebellieren gegen alles, was Inhalt hat": Dissy über die Lil Pump-Generation, Playlisten, Clueso & Drogen (Interview)

Dissy ist kein Kind mehr. Nach zwei EPs ("Pestizid" & "Fynn") zeigt der Erfurter Rapper, dass er auch auf Albumlänge funktioniert. Am 28. September erscheint das Debüt "Playlist 01".
Sein böser Schatten Fynn begleitet ihn weiterhin bei seiner Musik. Er bringt den Dreck und das Düstere in Dissys Kosmos.

Dabei ist Dissy nicht nur Rapper, sondern dreht auch Videos. Zu den Kunden von Dissy Films zählten zum Beispiel schon Megaloh oder Teesy. Laut dem Pressetext zu seiner neuen Platte verleiht er "seiner Generation eine Stimme". Um welche Generation es überhaupt geht und wo Dissy seine Inspiration findet, haben wir mit ihm besprochen.

Warum der Namenswechsel von Dissythekid zu Dissy?

Dissy: Mir ist der Name ein bisschen überdrüssig geworden. Das Englische daran hat gestört. Ich bin offensichtlich nicht mehr das Kid und das "th" kann ich nicht so gut aussprechen (lacht).  Ich hatte Bock auf Vereinfachung. Meine Leute nennen mich eh "Dissy". Eine tiefere Bedeutung hat diese Änderung nicht.

Deine Musik hat einen ganz anderen Sound und ist auch textlich ganz weit weg von den heutzutage so gängigen Playlists. Warum der Albumtitel "Playlist 01"?

Das Album beginnt mit einem Fuchs, der ravende Menschen beobachtet. Es geht mehr um die Playlist, die auf CD gebrannt ist und die man im Auto hört. Eine Playlist, die vielleicht sogar bei einem Rave laufen könnte. Die Songs sind stilistisch sehr unterschiedlich – wie eine auf CD gebrannte Random-Playlist anno 2000.

Der Titel ist keine Reaktion auf den Zeitgeist?

Ja, doch schon. Es ist ein total konzeptionelles Album. Ich wollte diesen Umstand abschwächen und es simpel "Playlist" nennen, weil es so viele Stile vereint. Es ist eine CD, die man hört, um sich zuzudröhnen. Der Titel war das Erste, was mir in den Sinn gekommen ist. Es passt auch gut.

Der Fuchs im Intro zieht den Hörer eine Art Märchen- oder Fabelwelt. Wie wichtig ist dir der Aspekt des Geschichtenerzählens in deiner Musik?

Wahrscheinlich wichtiger als ich denke. Sobald ich schreibe, habe ich das Gefühl, es muss eine runde Sache werden. Ich mache auch Video und Film (Dissy Films; Anm. d. Red.) und dort ist eine gelungene Dramaturgie ähnlich relevant. Ich glaube, dass ich automatisch so schreibe. Wenn ich eine Hook habe, fange ich an, eine persönliche Geschichte darum zu erzählen.

DISSYTHEKID - FYNN (FULL MOVIE)

Alle Links zum Debütalbum "PLAYLIST 01" von DISSY https://umg.lnk.to/DISSY_PLAYLIST RELEASE: 28.09.2018 Alle Links zur "FYNN" EP: https://dissythekid.lnk.to/FynnEP Dissythekid "Pestizid" EP auf HHV.DE: http://bit.ly/1FzOHBK Dissythekid "Pestizid" EP auf iTunes: http://bit.ly/1zQ0Dfz www.dissythekid.de Facebook http://bit.ly/2rePTxW Instagram https://bit.ly/2H2n3Ux Spotify https://spoti.fi/2IPoo6H Twitter http://bit.ly/2k4WQct Soundcloud http://bit.ly/2lsgTTN Ein Film von Dissythekid Cast: Maria Ehrich, Till Krücken, Marc

Bei deinen EPs "Pestizid" und "Fynn" gibst du den Hörer sogar teilweise einen kompletten Film an die Hand. Warum ist es dir so wichtig, mehr abzuliefern als eine Ansammlung von Tracks?

Ich finde so ein Konzept geil. Das sind Elemente, die mich begeistern. Ich bin selbst inspiriert von Künstlern, die mehr machen als eingängige Musik für die Masse. Wenn ich anfange einen Text zu schreiben oder einen Beat zu bauen, denke ich an die passenden Bilder dazu. Wenn es ginge, würde ich zu jedem Song von mir ein Video drehen.

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Was machst du lieber: Musik oder Videos?

Wenn ich auf eines verzichten müsste, würde mir das andere total fehlen. Ich habe das gemerkt, als ich eine Weile nur Videos gemacht habe. Das Musikmachen habe ich extrem vermisst. Ich würde aktuell gerne noch mehr Musik machen, aber sitze an Videoprojekten. Die Arbeit daran will ich nicht abtreten, auch wenn es sehr viel Zeit in Anspruch nimmt

Wie kann man sich den Schreibprozess bei dir vorstellen?

Ich muss mich ziemlich konzentrieren und trinke sehr viel Kaffee. Meistens taste ich mich von einer Hook aus an den Rest des Textes heran. Das größte Problem dabei ist, verständlich zu bleiben. Auf meinen vorigen Releases hatte ich verschachtelte Lines und Vergleiche, bei denen man um die Ecke denken musste. Jetzt versuche ich zu vereinfachen.

Welche Rolle spielen Superhelden, Comic- oder Romanfiguren in deiner Kunst?

(lacht) Dass die so oft auftauchen, ist gar nichts Bewusstes. Ich lese nicht viele Comics. Ich hab mich mal mehr dafür interessiert – nicht für Marvel, aber für Graphic Novels. Das hat zu Dissythekid gut gepasst. Beim Track "Peter Parker" fand' ich die Line cool ("Für immer so wie Peter Parker, nur dass die mutierte Spinne nie da war"; Anm. d. Red.)

DISSY - Peter Parker

DISSY mit „Peter Parker" aus seinem Debütalbum „PLAYLIST 01" „PLAYLIST 01" // 28.09.2018 // Corn Dawg Records.

Ist das Cover zu "Playlist 01" an den Film "Into The Wild" angelehnt?

Auch das ist eher Zufall. Wir haben diesen Bus gefunden und es passt zum Playlistthema. Das Album ist teilweise Roadtrip-Musik. Es könnte der Bus sein, aus der die Rave-Musik kommt. Am Ende ist es ein schönes analoges Foto (Credits: Fritz Elsmann). Ehrlicherweise habe ich "Into The Wild" nie gesehen. Ich wollte das Dissy-Universum aus dem dunklen Kämmerchen in die Natur holen. Trotzdem soll es dreckig und Outlaw-mäßig bleiben.

Es scheint, als würdest du dich von einem  Großteil der Szene abgrenzen wollen. Warum möchtest du mit Deutschrap nichts zu tun haben?

Ich habe inzwischen mit einigen zu tun. Ich finde sogar vieles cool. Ich will meinen Sound fahren, aber am liebsten würde ich Musik machen, die noch mehr Menschen erreicht. „Peter Parker“ ist zum Beispiel trappig. Durch die Produktion mit meiner Crew klingt es aber immer eigen. Ich lehne erstmal nichts aus Prinzip ab. Ich bin mit der Sekte groß geworden. Ein bisschen Rebellion gehört dazu.

Auf "Die Welt ist böse" betäubt sich die Jugend mit S*x und Drogen und verschließt die Augen vor der Realität. Wie steht es um unsere Generation?

Irgendein Punkrock-Sänger hat mal gesagt: "Je brisanter die politische Lage, desto dümmere Musik hören die Kids". In dieser Cloudrap-, Lil Pump-Welt geht es häufig darum, möglichst wenig Inhalt zu transportieren. Die Kids feiern das alles – und ich auch. Bei der Jugend dreht sich viel um Turnup. Die Weltlage spiegelt sich nur noch bei Nischenbands wider. Sowas wie die Ärzte ist heute nicht mehr angesagt. Die Kids rebellieren gegen alles, was Inhalt hat und durchdacht ist. Das ist spannend vor dem Hintergrund, dass es gerade jetzt wichtig wäre sich mit dem zu beschäftigen, was gerade auf der Welt passiert. Es war aber schon immer so, dass wir uns alle wegballern.  Wir wollen verdrängen, sei es durch Fernsehen, Internet oder anderen Konsum.  Die persönlichen Probleme stehen im Vordergrund. Dabei ertrinken zum Beispiel Menschen auf dem Mittelmeer.

Cover zu meinem Album „PLAYLIST 01" --- Ab 28.09 auf Vinyl, CD & Digital Artwork: #zentrale Fotos: @fr1tz & @ben__wolf s/o an @y.lash

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Drogen sind in deiner Musik ein präsentes Thema. Woher kommt das?

Ich habe früh damit Kontakt gehabt, aber habe lange selbst keine Drogen genommen. In meinem Umfeld haben Leute konsumiert.

Macht dir der Tod von Mac Miller in irgendeiner Form Angst?

Ich glaube, wenn man so ein Leben führt wie er (Mac Miller; Anm. d. Red.), dann muss man wirklich Angst haben. Das ist ein derartiges Gefühls-Auf-und-Ab, wenn man vor solchen Massen spielt und dann wieder runterkommen muss. In meinem Freundeskreis mache ich mir bei ein paar Leuten ein bisschen Sorgen. Um mich selber habe ich keine Angst.

Welche Einflüsse und Inspirationsquellen wirken auf deine Musik?

Auf Rapperseite finde ich Vince Staples krass. Auf Produzentenebene feier ich Clams Casino. Außerdem mag ich Future Bass und Radiohead. Es muss interessant sein und interessante Sounds liefern. Ich höre beim Arbeiten auch viel Bonobo und elektronische Sachen – aber auch Trap. XXXTentacion hat mir ganz viel gegeben. Daneben zieh ich mir noch alte Klassiker rein wie beispielsweise Funkadelic  mit "Maggot Brain". Das hat mich beim Song "Nichts" inspiriert.

Dein Album steckt voller unerwarteter Brüche. Nach hart gerappten Passagen kommt mal eine Art Liedermacher-Refrain und nach der Melancholie auf einmal scheppernder Bass und Störgeräusche. Warum hast du dich für ein eher schwer zugängliches Soundbild entschieden?

(lacht) Es bringt eine zusätzlich erzählerische Komponente in die Songs. Bei "Sie kommen in der Nacht" geht es um Zerstörungswut und um die Tiere im Wald. Ich hatte erst Bock einen Turnup-Track daraus zu machen, aber die Gitarre passte besser in der Hook. Ich werde in Zukunft versuchen, daran zu arbeiten, dass meine Musik leichter zu verstehen ist und trotzdem erzählerisch wertvoll bleibt.

DISSY - Sie kommen in der Nacht ft. MOAT

DISSY mit „Sie kommen in der Nacht feat. MOAT" aus seinem Debütalbum „PLAYLIST 01" „PLAYLIST 01" // 28.09.2018 // Corn Dawg Records.

Findest du Kunst sollte herausfordern?

Nein, nicht immer. Ich bin selbst schnell überfordert.  Ich habe auch vollstes Verständnis, wenn man sich "Fynn" nicht bis zum Ende angesehen hat (Dissys Film; Anm. d. Red.). Ich habe selbst keine gute Auffassungsgabe, Mir fehlt oft die Geduld, mich ewig mit Dingen auseinanderzusetzen. Ich versuche eine Stimmung zu erzeugen, die einen catcht. Es geht mir darum, einen Vibe zu erschaffen.

Wie passt Clueso in diesen Kosmos?

(lacht) Ich habe bei zwei Dates auf seiner Tour gespielt und wir sind Homies. Ich habe Videos für ihn gemacht ("Achterbahn", "Gordo"; Anm. d. Red.). Er steht wie ich auf Dreck und ist musikalisch auf der Suche. Er mag es, zu experimentieren und wir haben rumprobiert. Er fand Beats von mir geil und hat darauf gesungen.

Hast du irgendwo fröhliche Dissy-Songs rumliegen?

Ich habe eine Hook, die ist fröhlich. Das kommt vielleicht sogar aufs nächste Album. Grundlegend wird es aber wieder düster. Es existiert also der Anfang eines heiteren Songs (lacht).

Vielen Dank für das Gespräch.

DISSY - Wagen voll Müll ft. Clueso

DISSY mit „Wagen voll Müll feat. Clueso" aus seinem Debütalbum „PLAYLIST 01"" „PLAYLIST 01"" // 28.09.2018 // Corn Dawg Records.